Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG > Auction 406Auction date: 20 March 2024
Lot number: 4687

Price realized: 30,000 EUR   (Approx. 32,566 USD)   Note: Prices do not include buyer's fees.
Lot description:


FRANKREICH/KAROLINGER. Karl der Große, 768-814.
Denar, 813/814 oder etwas später, Aachen; 1,55 g. KAROLVS IMP AVC Büste r. mit Lorbeerkranz und umgelegtem Mantel, darunter C//XPICTIANA RELIGIO Kirchengebäude. Coupland 24 (dieses Exemplar); Depeyrot 1167; Kluge, Die Bildnispfennige Karls des Großen 17 (dieses Exemplar); Lafaurie 18, Pl. III, 31 (dieses Exemplar); M./G. 315 (dort mit falscher Umschrift angegeben).
Von allergrößter Seltenheit. Eines von zwei bekannten Exemplaren,
das einzige in Privatbesitz. Fast sehr schön

Die Porträtdenare Karls des Großen mit dem Kaisertitel IMP(erator) AVG(ustus) anstelle des ansonsten üblichen REX FR(ancorum) gehören zu den großen Seltenheiten der Mittelalternumismatik.
Die einfache Annahme, Münzen mit Kaisertitel stellen das Geld des Frankenreiches nach der Kaiserkrönung Karls des Großen am 25. Dezember 800 dar, ist nicht plausibel, da sie für den angenommenen Prägezeitraum 800-814 viel zu selten vorkommen. Bernd Kluge ging 2002 noch von 35 Exemplaren mit Kaiserbüste aus (darunter das vorliegende Exemplar); Simon Coupland konnte die Liste 2014 auf 45 Exemplare erweitern (darunter das vorliegende Exemplar).
In der Forschung werden daher verschiedene Theorien diskutiert: Die erste geht davon aus, daß es sich um besondere Festprägungen anläßlich der Kaiserkrönung 800 handelt, wohingegen die wahrscheinlich seit 793/794 ausgeprägten "denarii novi" mit Karolusmonogramm unverändert weitergeprägt wurden. Dieser Ansatz würde das außergewöhnliche Motiv der Kaiserbüste und die hohe Wertschätzung bei den Zeitgenossen erklären. Die zweite Theorie nimmt eine Prägung erst nach der Anerkennung der Krönung Karls des Großen durch den byzantinischen Kaiser im Jahre 812 an, was zumindest die Seltenheit der Stücke erklären könnte. Eine weitere Theorie, die von Bernd Kluge und Simon Coupland favorisiert wird (und die auch wir für überzeugend halten), geht von einem Beginn der Prägung der Bildnisdenare anläßlich der Krönung Ludwigs des Frommen zum Mitkaiser am 11. September 813 in Aachen aus.
Anhand des Bildmotivs der Rückseite lassen sich vier Gruppen unterscheiden: Die (wie hier vorliegend) Exemplare mit einem Kirchengebäude (XPICTIANA RELIGIO), die Darstellung eines Stadttores (Arles, Rouen und Trier), die Darstellung eines Schiffes (Dorestad und Quentovic) und die Abbildung von Prägewerkzeugen (METALL GERMAN - von lat. "germanum" = echt, wahr, rein / wahrscheinlich Münzstätte Melle). Bei den Exemplaren des XPICTIANA-RELIGIO-Typs lassen sich außerdem 3 Vorderseitenlegenden unterscheiden: 1. D(ominus) N(oster) KARLVS IMP(erator) AVG(ustus) R(ex) F(rancorum) ET L(angobardorum), 2. KARLVS IMP AVG und 3. das an dieser Stelle vorliegende KAROLVS IMP AVG. Einige Exemplare präsentieren unter der Kaiserbüste Buchstaben, die früher als Münzstättensignaturen gedeutet worden sind: C (wie auf dem vorliegenden Stück, Köln), F (Frankfurt), M (Mainz) und V (Worms). Diese Überlegungen wurden von Simon Coupland überzeugend zurückgewiesen, der die Münzstätte der XPICTIANA-RELIGIO-Bildnisdenare in Aachen lokalisiert. Diese Zuweisung wird in der Forschung weitestgehend akzeptiert. Es ist insofern unklar, welche Bedeutung der Buchstabe C unter der Büste auf dem vorliegenden Stück hat. Sicher ist allerdings die Seltenheit: Simon Coupland, Bernd Kluge und Jean Lafaurie kennen neben dem vorliegenden Exemplar nur noch das Exemplar der Staatlichen Museen zu Berlin (Objektnummer 18202749 im IKMK).
Wir freuen uns, Ihnen eine der großen Seltenheiten der karolingischen Münzgeschichte und der Münzprägung des Mittelalters überhaupt in dieser Auktion präsentieren zu dürfen. Literatur:
• Coupland, S.: Charlemagne's coinage: ideology and economy, in: Story, J. [Hrsg.]: Charlemagne - Empire and Society, Manchester 2005, S. 211-229.
• Coupland, S.: The Portrait Coinage of Charlemagne, in: Allen, M. R. u.a. [Hrsg.], Early Medieval Monetary History - Studies in Memory of Mark Blackburn, Aldershot 2014, S. 145-156.
• Coupland, S.: Charlemagne and his Coinage, in: Große, R./Sot, M. [Hrsg.], Charlemagne : les temps, les espaces, les hommes. Construction et déconstruction d'un règne, Turnhout 2018, S. 427-451.
• Grierson, P.: Money and Coinage under Charlemagne, in: Braunfels, W. [Hrsg.]: Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben. I. Persönlichkeit und Geschichte, Düsseldorf 1965, S. 501-536.
• Grierson, P. / Blackburn, M.: Medieval european Coinage. I. The Early Middle Ages (5th-10th centuries), Cambridge 1986, S. 209-210.
• Kluge, B.: Die Bildnispfennige Karls des Große, in: Kiersowski, R. u. a. [Hrsg.], MONETA MEDIÆVALIS. Studia numismatyczne i historyczne ofiarowane Profesorowi Stanislawowi Suchodolskiemu w. 65. rocznice urodzin, Warschau 2002, S. 367-377.
• Kluge, B.: Numismatik des Mittelalters. Handbuch und Thesaurus Nummorum Medii Aevi, Berlin / Wien 2007, S. 87-88.
• Lafaurie, J.: Les monnaies impériales de Charlemagne, in: Comptes-rendus de l'académie des inscriptions et belles-lettres 1978, S. 154-176.


Estimate: 20000 EUR

Match 1:
SINCONA AG > Auction 90Auction date: 13 May 2024
Lot number: 1001

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Lot description:


DEUTSCHLAND. Aachen, Reichsmünzstätte. Ludwig der Fromme, 814-840.
Solidus (814-819). Imperiale Repräsentationsprägung aus einer unbekannten Münzstätte (vielleicht Aachen). +DN HLVDOVVICVS IMP AVC Brustbild nach rechts mit Lorbeerkranz. Rv. +MVNVS DI•VINVM Kreuz in Lorbeerkranz. 4.29 g. Depeyrot 8. M./G. 515. Von grösster Seltenheit / Of the highest rarity. Sehr schön / Very fine.
(~€ 18'750/USD 20'455)

Die wenigen goldenen Solidi gehören sicherlich zu den spektakulärsten Prägungen aus der Regierungszeit Ludwigs des Frommen (814-840). Sie sind Ausdruck des Machtanspruchs des noch relativ jungen karolingischen Kaisertums und drücken seine Gleichrangigkeit mit Byzanz in Nominal, Gewicht und Münzbild aus.

Die Legende MVNVS DIVINVM ("Göttliches Geschenk") ist oftmals als Hinweis auf die unerwartete Regierung Ludwigs des Frommen gedeutet worden, dessen eigentlich für die Nachfolge bestimmten Brüder Pippin und Karl bereits vor ihm verstarben. Am 11. September 813 setzte er sich auf Befehl seines Vaters, Karls des Grossen (768-814), in der Aachener Pfalzkapelle selbst die Krone auf. Damit wurde zum ersten Mal das Kaisertum von einem Vater ohne Einflussnahme des Papstes noch zu Lebzeiten an den Sohn weitergeben.

Eine andere Erklärung ist, dass sich die Umschrift auf Kreuz und Kranz der Rückseite als Symbol der göttlichen und weltlichen Macht bezieht. Die Krone (das lat. Wort corona bedeutet sowohl "Krone" als auch "Kranz") wäre demnach als göttliches Geschenk an den Herrscher aufzufassen.

Die Prägung dieser Stücke fand vermutlich anlässlich der erneuten Krönung und Salbung am 5. Oktober 816 in Reims durch Papst Stephan IV. (816-817) statt und hat somit zeremoniellen Charakter. Alle bekannten Exemplare lassen sich auf vier Stempelpaare zurückführen, was für eine in ihrem Umfang begrenzte Emission spricht.

Als Prägeort nahm W. Hävernick Dorestad an, was für die späteren Exemplare und Nachahmungen von gröberem Stempelschnitt möglich sein mag. Der ausgesprochen "imperiale Charakter" dieser Prägung und das eindrucksvolle Porträt machen jedoch eine Prägung an einem Zentralort karolingischer Herrschaft - namentlich Aachen - wahrscheinlicher. Selbst wenn die Stücke nicht für den allgemeinen Geldverkehr gedacht waren, so sind sie dennoch als Zahlungsmittel benutzt worden, wie friesische Nachahmungen nahelegen. Es gab also wohl auch noch in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts ein gewisses Bedürfnis nach Goldgeld. In jedem Fall sind es bis zu den Augustalen Kaiser Friedrichs II. (1215-1250) die letzten Goldmünzen eines abendländischen Kaisers.

Literaturangaben:
- Coupland, S.: Money and Coinage under Louis the Pious, in: Francia 17/1, Sigmaringen 1990, S. 27.

- Hävernick, W.: Die Anfänge der karolingischen Goldprägung in Nordwesteuropa, in: HBN 6-7 (1952-1953), S. 55-60. - Kluge, B.: Numismatik des Mittelalters. Handbuch und Thesaurus Nummorum Medii Aevi, Berlin / Wien 2007, S.89. - Grierson, P. / Blackburn, M.: Medieval European Coinage, I. The early Middle Ages (5th-10th centuries), Cambridge 1986, S. 329-330.
(Quelle: Auktionskatalog Künker 239, Osnabrück, Oktober 2013)

Starting price: 18000 CHF